„Energiesysteme beeinflussen mehr denn je die Rendite eines Objekts“

Die Vermarktung einer Immobilie ist heute mehr denn je vom Energiesystem abhängig, sagt Manfred Dollinger. Im Interview mit dem FM Expertenportal verrät der Energieexperte und Geschäftsführer der CAMM Technologie GmbH, worauf es heutzutage bei der Konzeption von Energieanlagen ankommt.

Herr Dollinger, wie wichtig ist Ihrer Meinung nach das Energiesystem im Hinblick auf die Wertschöpfung einer Immobilie?

Dollinger: Früher hieß die einfache Regel für den Wert einer Immobile: Lage – Lage – Lage. Heute ist die Vermarktung, Wertentwicklung und Zukunftsfähigkeit eines Objektes auch stark von der Effizienz und ökologischen Nachhaltigkeit des Energiesystems abhängig. Schon heute lassen sich Immobilien, die nicht den neuesten Energiestandards entsprechen, kaum mehr an aufgeklärte Interessenten verkaufen. Auch der anspruchsvolle moderne Mieter erwartet heute ohne Kompromisse hohe Wohnstandards. Und dazu gehören immer mehr auch günstige Betriebskosten und die Erfüllung ökologischer Richtlinien. Dieser Trend zu mehr Nachhaltigkeit ist ein länderübergreifendes Phänomen und wird in Zukunft an Bedeutung weiter zunehmen.

Nachhaltigkeit ist ein viel strapazierter Begriff. Was macht ein nachhaltiges Energiesystem konkret aus?

Dollinger: Der Begriff fußt in der Baubranche auf drei Säulen: dem geringen Verbrauch von Primärenergie, der hocheffizienten Umwandlung der Primärenergie in nutzbare Wärme und elektrische Energie sowie der Vermeidung von Energieverschwendung. Nur das ausgewogene Zusammenspiel dieser drei Aspekte sorgt für eine insgesamt nachhaltige Energiebilanz.

Wie lässt sich Nachhaltigkeit in der Praxis sicherstellen?

Dollinger: Das geht nur, wenn von Anfang an alle Beteiligten eingebunden werden – vom Architekten, der die Bausubstanz und den Effizienzstandard des Gebäudes festlegt, über den Energieplaner, der die Energieversorgung auslegt, bis hin zum Bauträger, der für eine günstige und hochwertige Umsetzung verantwortlich ist. Nicht zu vergessen ist der Bewohner der Immobilie, der sich am Ende der ökologischen Kette für den schonenden Umgang mit der kostbaren Ware Nutzenergie zu entscheiden hat.

In welcher Phase eines Bauprojekts sollte die Energieanlage konzeptioniert werden und warum?  

Dollinger: Bereits in der frühen Konzeptionsphase der Objektplanung muss die Energieversorgung des Gebäudes berücksichtigt werden. Nur die synchrone Verzahnung von Gebäude- und Energieplanung führt zu einer optimalen ökologischen Bilanz und erfüllt die hohen Ansprüche an die Nachhaltigkeit. Bauherr, Architekt und Energieplaner sind gefordert, im Team ihre Vorstellungen zu einem ganzheitlichen Energiekonzept zusammenzuführen.

Wie ist bei der Planung des Energiesystems vorzugehen?

Dollinger: Ganz am Anfang steht die Frage nach den primären Energiequellen, die man verwenden will – Sonne, Wind, Erdwärme, fossile Träger. Nicht immer sind extreme Konzepte, wie Nullenergiehaus oder ausschließlich fossilbetriebene Energieanlagen, sinnvoll. Ein ausgewogener Mix sorgt meist für mehr Wirtschaftlichkeit und eine dauerhafte, sichere Versorgung. In weiteren Planungsschritten muss das energetische Konzept detailliert ausgearbeitet werden:

  • Welches Anlagenkonzept kommt zum Einsatz?
  • Welche Energieaggregate wandeln die Energie um?
  • Wie wird die Energie dem Verbraucher effizient bereitgestellt?
  • Wie werden anfallende Abgase und nicht nutzbare Restenergie umweltgerecht und vorschriftenkonform abgeführt?

Was wird bei der Konzeption und Auslegung von Energieanlagen häufig falsch gemacht?

Dollinger: Die Planung wird zum Beispiel viel zu selten in erfahrene herstellerunabhängige Hände gelegt. Viele Immobilienbesitzer erhoffen sich, dadurch Geld zu sparen. Doch langfristig kommt es sie deutlich günstiger, wenn sie anfangs mehr in die Energieplanung investieren und dafür ein maßgeschneidertes System bekommen, das ihre Betriebskosten minimiert. Aus meiner Erfahrung ist es außerdem ein Fehler, zu idealistisch an die Energieversorgung heranzugehen.

Was meinen Sie mit „idealistisch“?

Dollinger: Viele Bauherren wollen zum Beispiel unbedingt ein Energiesystem, das ausschließlich auf erneuerbaren Energien beruht. Doch idealistische und einseitige Konzepte wie diese taugen oft für den professionellen Einsatz in Gewerbe, Industrie oder bei großen Wohnobjekten nicht. Hier kommt es auf die sinnvolle Kombination von regenerativen und dauerhaft verfügbaren Energieträgern an, um die Wirtschaftlichkeit und auch Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Vernachlässigt wird in diesem Zusammenhang oft die Betriebsführung der Anlage.

Wie sollten Immobilienbesitzer die Betriebsführung der Anlage handhaben?

Dollinger: Im Idealfall überträgt man sie einem professionellen Dienstleister, der sicherstellt, dass die Anlage rund um die Uhr störungsfrei läuft. Ein fortlaufendes Monitoring, auch als Smart Metering bekannt, bildet die Grundlage dafür. Denn nur wenn dieses Konzept passt und die Anlage zuverlässig ihren Dienst verrichtet, kann sie energieeffizient arbeiten und den größtmöglichen Gewinn abwerfen. Möglich sind Nettoeinsparungen von mehreren Tausend Euro pro Jahr.

Was kann eine optimal konzipierte Energieanlage für den Betreiber leisten?

Dollinger: Wer bei der Planung keine Fehler macht, schafft den Spagat, der Energiesystemen heutzutage abverlangt wird: die scheinbar widersprüchliche Verbindung von Ökologie und Wirtschaftlichkeit und von Zuverlässigkeit und Flexibilität. Sind diese Parameter erfüllt, lässt sich die Immobilie in ihrer Nutzungsphase günstig betreiben und von Anfang an leichter vermarkten, weil ihr Energiesystem zukunftsfähig ist und den Käufern, Mietern oder Pächtern niedrige Betriebskosten beschert.